Schimmer

shimmer
2020 | three channel video installation, UHD, black and white, sound, 20.48 min.

Die Videoarbeit Schimmer verknüpft einen postdramatischen Text mit einer Videoperformance und kombiniert die Felder Film, Theater, Performance, Literatur und Theorie.

Bild, Text und Tonspur sind autonome Variationen auf das Motiv des Diskurses dreier Protagonistinnen und sind nur assoziativ miteinander verknüpft.

Im Bild sieht man drei Frauen in eine Diskussion vertieft. Aufmerksam folgen sie einander. Ihre Worte sind wichtig. Sorgfältig wählen sie sie und noch sorgfältiger hören sie den anderen zu. Es steht viel auf dem Spiel.

Die Bilder sind in starker Zeitlupe abgespielt, so kann der Betrachter ebenso aufmerksam jede noch so feine Regung verfolgen.

Der Ort des Gesprächs ist eine Bühne im Hausflur eins Wohnhauses. Dieser eigentümlich utopische Raum ist weder öffentlich noch privat.

Das Stück bleibt als Text erhalten und durchbricht in Zwischentiteln die Immersion der Bühne ebenso wie die nur mittelbare Verknüpfung des Textes mit Bild und Sound.

Schrilles Gitarrenfeedback nimmt Bezug auf die im Text vorkommende Metapher der Rückkopplung als ein Phänomen des Auftauchen des Betrachters in seiner Betrachtung.

Die permanente Emersion, das kontinuierliche Wiederauftauchen, markiert den Beobachter und macht die Erzählung abhängig von seiner Perspektive. So kann der visuelle Teil der Arbeit sowohl als Dokumentation einer Performance gelesen werden als auch als autonomer Film. Der Text des Stücks oszilliert zwischen dialogischen und sukzessiven monologischen Passagen mit mal mehr, mal weniger Distanz zu den Sprechenden und dem Geschehen auf der Bühne. Der dramatische Text nimmt diese zentrifugale Bewegung des Betrachters auf, indem er auch die Rollen des Stücks stufenweise aus ihrer eigenen Immersion auftauchen lässt. So verweist Rolle eins permanent auf die Historizität der Struktur ihres Diskursraumes, Rolle zwei stellt Klasse und Herkunft als wesentlichen Determinanten der möglichen Diskurse in den Vordergrund (seine Stimme klingt in der offensichtlich homogenen sozialen und kulturellen Herkunft der drei Frauen wieder) und Rolle drei sabotiert jede Einigung unter anderem mit dem Verweis auf die Triadomanie [1] postmoderner Theorie als Antagonist postmoderner Kontingenzbewältigung. Rolle drei erzählt auch die Geschichte vom Schimmer aus Alex Garlands Film „Auslöschung“.

In „Auslöschung“ führt Natalie Portman eine Gruppe Forscherinnen in eine extraterrestrische Anomalie, die auf einem Meteoriten auf die Erde gelangt. Den Schimmer, wie die Gruppe das Phänomen wegen seiner ölig schillernden Membran nennt, beschreibt eine von ihnen als Prisma, welches Licht- und Radiowellen ebenso bricht und streut wie das Erbgut unterschiedlicher Lebensformen. Darüber hinaus überwindet er alle nur erdenklichen Schranken der materiellen Welt und ihrer Rezeption. Wie in einem Acid-Trip offenbaren sich in diesem Raum der Irritation mit ihrem Verschwinden allerhand Grenzen, welche unsere sinnliche Wahrnehmung und unser Weltbild strukturieren.

Der Schimmer ist die Utopie eines Raumes, dem die Orientierung von Innen und Außen abhandenkommt. Er ist der Raum des Betrachters, des Dritten.

Am Ende des Gesprächs beginnt es von vorn und es wird deutlich, dass die Orientierung der emersiven Fliehkraft nicht von Dauer ist. Sie bietet keine Erlösung an, mundet stattdessen in einen endlosen Regress der Perspektiven und die Enttäuschung über die unbedingte sprachliche Determination des Handlungsraumes entfaltet ihr emanzipatorisches Potenzial.

The video work Schimmer links a post-dramatic text with a video performance and combines the fields of film, theatre, performance, literature and theory. Image, text and soundtrack are autonomous variations on the object of voice and are linked only associatively.

 

The image shows three women engrossed in a discussion. They follow each other attentively. Their words are important. They choose them carefully and listen to the others even more carefully. There is a lot at stake.

 

The images are played back in slow motion, so the viewer can follow every movement, no matter how subtle. The place of the conversation is a stage in the hallway of an apartment building. This peculiarly utopian space is neither public nor private. The theatre piece remains as a text, breaking the immersion of the stage in intertitles as well as the only indirect linking of the text with image and sound. Shrill guitar noise refers to the metaphor of feedback that occurs in the text as a phenomenon of the emergence of the viewer in his contemplation.

 

The permanent emersion, the continuous reappearance, marks the observer and makes the narrative dependent on his perspective. Thus the visual part of the work can be read both as a documentation of a performance and as an autonomous film. The shimmer is the utopia of a space that loses the orientation of inside and outside. It is the space of the observer, of the third.

 

At the end of the conversation, it begins again and it becomes clear that the orientation of the emersive centrifugal force is not permanent. It does not offer any redemption, but instead morphs into an endless regress of perspectives and the disappointment about the unconditional linguistic determination of the space of action unfolds its emancipatory potential.


[1] Pierce, Charles S.: Drei Argumente gegen den Vorwurf der Triadomanie, in: Zeitschrift für Semiotik.